Editorial des Mitgliedermagazins Juni 2024
BÜROKRATIE DURCH DIGITALISIERUNG
Liebe Leserinnen und Leser,
angeblich soll uns die Digitalisierung helfen, Bürokratie abzubauen. Tatsächlich gibt es in meinem Büro weniger Papier, seit ich den elektronischen Rechtsverkehr und die Spracherkennung nutze. Mit Sprach-Erkennungsfehlern belustige ich die Leser. Meine Unterschrift wird digital durch eine PIN ersetzt. Dadurch sind ein paar Ziffern auf meiner Tastatur inzwischen abgenutzt und kaum noch erkennbar. Außer diesen Nebeneffekten bewirkt die Digitalisierung an vielen Stellen eine Zunahme von Bürokratie, weil vorgegebene Abläufe nicht zu Ende gedacht sind. Leider beruht diese digitale Bürokratisierung aber auf gesetzlichen Vorgaben, die wir nicht ignorieren können. Ein Anwalt, der seinem Mandanten helfen will, muss sich damit beschäftigen.
Beispielsweise ist seit einiger Zeit die Zwangsvollstreckung digitalisiert. Früher wurde der Gerichtsvollzieher von mir schriftlich unter Beifügung des Titels beauftragt und legte los. Heute erhält er zuerst ein vorschriftsmäßig ausgefülltes digitales Formblatt. Nach Eingang und Erfassung der Daten teilt er mir ein Aktenzeichen mit. Dann schicke ich ihm den Titel per Post. Dadurch haben wir beide mehr Aufwand als vorher. Mehraufwand verursachte kürzlich auch ein Vollstreckungsgericht, indem es rügte, dass in einem digital versendeten Formblatt Zahlen fehlten. Obwohl die Zahlen in einem beigefügten digitalen Schreiben verständlich enthalten waren, mussten wir sie unverändert in das Formblatt übertragen, da sonst die beantragte Pfändung nicht erfolgt wäre.
Viele von Ihnen werden sich erinnern, dass wir ähnliche Vorgaben für unsere Grundsteuererklärungen hatten. Ich sorge mich, dass man sich an so etwas gewöhnt. Oder hätten Sie gedacht, dass das Mahngericht unsere digital eingereichten Schriftsätze ausdruckt und per Post an das Streitgericht sendet, weil es keinen geregelten digitalen Weg zur Weiterleitung gibt? Warum werden solche Systembremsen nicht beseitigt?
An der Bürokratie hängen auch Menschenleben. Man sagt, es könnte Jahrzehnte dauern, bis das Ahrtal durch Rückhaltebecken vor neuen Katastrophen geschützt werden kann, weil Genehmigungsverfahren in Deutschland so lange dauern. Dazu fehlen mir die Worte. Oder fehlt hier nur das passende digitale Formblatt für Verbesserungsvorschläge?
Lassen Sie uns zuversichtlich bleiben.
Herzlichst grüßt Sie
Ihr Verbandsvorsitzender
Norbert Behle