Es geht eine Urne auf Reisen
Es wird für einen Rechtsanwalt, der für & Haus Grund tätig ist, nie langweilig. Wir beschäftigen uns nicht nur mir Streitigkeiten um Nebenkosten, Hausordnung und Fehlleistungen von WEG-Verwaltern.
So bunt wie das Leben ist, sind auch die Fälle. So gibt es auch Kurioses zu berichten. Aus einem Fall, der einen Zweiten nach sich zog.
Herr A und Frau B sind Miteigentümer zu 1/2 an einem Grundstück in Saarbrücken. Dieses wird zu Freizeitaktivitäten genutzt. Um diesen Zweck zu erreichen, errichteten die Eigentümer ein Haus, eine Grillstelle sowie anderes Zubehör. Das Grundstück ist durch einen Zaun eingefriedet.
Im Jahre 2021 wurde eine Landvermessung durchgeführt. Und dabei stellte sichheraus, dass die Grundstücksgrenzen nicht so verlaufen wie der Zaun. Es stellte sich heraus, dass sich Haus, Grillstelle nicht auf dem vermeintlich eigenen Grundstück von A und B befanden, sondern auf dem Nachbargrundstück. Der Landeshauptstadt Saarbrücken gehörend.
Sachrechtlich gehören die Teile, die mit einem Grundstück verbunden sind dem jeweiligen Eigentümer. Die Landeshauptstadt Saarbrücken konnte also A + B die Nutzung von Haus usw. verbieten. In Verhandlungen mit der Behörde ist angedacht, dass A + B den von ihnen genutzten Teil von Nachbarn anmieten können.
Soweit der eine Fall.
Es ergaben sich plötzlich unerwartete Weiterungen. Und zwar in der Person von Herrn A. Dieser wurde 1955 in Saarbrücken geboren. Heiratete 1975. Die Ehe wurde geschieden. Er zog in die Schweiz und hatte seinen Wohnsitz im Tessin. Da es ihm offenbar nicht gut ging, ordnete ein Schweizer Gericht die Betreuung an. Herrn A wurde – wie er es bei den Eidgenossen heißt – eine Beiständin zugewiesen. Letztere beauftragte uns, für Herrn A in der Grundstücksangelegenheit tätig zu sein.
Das taten wir.
Am 16.09.23 verstarb Herr A. Da es der bis dahin agierenden Beiständin nicht gelang Kontakt mit potenziellen Erben herzustellen, wurde das Amtsgericht in Locerno aktiv.
Und aus den vormaligen Beiständen wurde eine Nachlassverwalterin mit den Aufgabengebieten Organisation der Bestattung und Regelung des Nachlasses.
Vorgesehen war eine Urnenbestattung in Deutschland. Und in Erfüllung ihrer Pflegepflichten stieß die Nachlassverwalterin auf unerwartete Schwierigkeiten. Sie bat uns, hier behilflich zu sein.
Stirbt ein Ausländer in der Schweiz, stellt das Schweizerische Zivilstandesamt eine Sterbeurkunde nur aus, wenn nachstehende Dokumente vorliegen
- Geburtsurkunde
- Heiratsurkunde
- Scheidungsurteil mit Rechtskraftvermerk
alle Dokumente in Original und nicht älter als 6 Monate
Versuche der Nachlassverwalterin, die Dokumente von Standesamt und LHS Saarbrücken anzufordern schlugen fehl. Es hieß Originale werden nur im Inland zur Verfügung gestellt. Kein Versand in die Schweiz.
Die Beschaffung sollte durch uns vorgenommen werden. Denn ohne die Dokumente gibt es
- keine Sterbeurkunde
- keinen Erbschein
und
- keine Bestattung
Diese ist für Ende Oktober 23 vorgesehen. Am Samstag 08.10.23 sollte die Urne nach Saarbrücken überführt werden. Aber ohne Sterbeurkunde ist ein Transport nach Deutschland nicht möglich. Am 04.10.23 haben wir die Überlassung der Dokumente beim Standesamt in Saarbrücken beantragt. Auf die Dringlichkeit der Angelegenheit wurde hingewiesen. Aber besonders eilig scheint man es bei den Behörden nicht zu haben.
Fast 14 Tage später hatten wir noch keine Rückmeldung. Die Beerdigung scheint zu platzen. Was will man bestatten, wenn die Urne nicht auf Reisen gegangen ist und irgendwo
im Tessin rumsteht.
Es ist schon erstaunlich, welche bürokratische Hürden sich bei einem doch überschaubaren Sachverhalt auftun. Dass es in Europa solche Komplikationen gibt, war für uns eine
ernüchternde Erfahrung.
Gelöst wurde der Fall schließlich unbürokratisch. Mit Gottes Hilfe in der Not. Am Wohnort des Verstorbenen fand eine kirchliche Trauerfeier statt. Die zelebrierende Pfarrerin erfuhr von den Komplikationen um die Überführung der Urne.
Nach der Feier drückte sie der Saarbrücker Verwandtschaft die Urne in die Hand, mit der Aufforderung diese nach Deutschland mitzunehmen.
Und im Kofferraum eines PKW gelangten die sterblichen Überreste ins Saarland. Unter die Erde kann die Urne erst gelangen, wenn die bürokratischen Hindernisse
beseitigt sind.
Eine Ende Oktober 23 geplante Beerdigung wurde vorerst abgesagt. Erst wenn alle Voraussetzungen vorliegen, kann die Reise der Urne ihr Ende finden. In Saarbrücker Erde. Wann immer dies auch sein mag.
Rechtsanwalt Hans-Joachim Hoffmann
Haus & Grund Saarbrücken
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