Die mietrechtliche Wahrheit über das Corona-Gesetz – Anschlag auf die Solidarität von Vermietern und Mietern verhindert
Unmittelbar nach Redaktionsschluss der April-Ausgabe unseres Mitgliedermagazins "Haus & Grund Saarland" ist der Gesetzgeber auf den Gedanken gekommen, wegen des Corona-Virus in mietrechtlicher Hinsicht Aktionismus zu betreiben.
Am Vormittag des Samstag, 21.03.2020, informierte uns der Zentralverband von Haus und Grund Deutschland in Berlin, dass die Bundesregierung das nur 4 Tage später auch tatsächlich vom Bundestag beschlossene „Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht“ mit erheblichen mietrechtlichen Konsequenzen versehen wollte.
Die Bundesregierung plante, dass Mieter, die aufgrund der Corona-Krise ab April ihre Miete für bis zu sechs Monate nicht an den Vermieter zahlen, 2 Jahre lang keine Kündigung befürchten müssen. In Zweifelsfällen sollte angenommen werden, dass die Mietzahlung aufgrund von pandemiebedingten Einnahmeverlusten ausbleibt. Die Vermieter sollten im Zweifel den Mietern nachweisen müssen, dass diese zur Begleichung der Miete trotz Corona in der Lage seien. Ein solcher Nachweis wäre praktisch nicht möglich, denn welcher Vermieter kennt schon die Einnahmen und Vermögensverhältnisse seiner Mieter derart detailliert?
Mit einer Presseerklärung vom 21.03.2020 reagierte der Zentralverband von Haus & Grund und formulierte zutreffend wie folgt: „Nach den derzeit bekannten Plänen will sich der Staat in beispielloser Weise von den fast vier Millionen vermietenden Privatpersonen in Deutschland entsolidarisieren. Sie will Menschen im Stich lassen, die ihren Lebensunterhalt, Unterhaltspflichten und sonstige Zahlungsverpflichtungen aus Mietzahlungen bestreiten und oft zusätzlich als Handwerker oder Kleinstgewerbetreibende massiv von der Corona-Krise betroffen sind“.
Das wirkte. Haus & Grund ist es in einer bisher beispiellosen konzertierten Aktion über Aufklärung von Medien und Politikern gelungen, dies abzuwenden.
Im Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch befindet sich nun ein Artikel 240 mit sehr sinnvollen Regelungen in § 1 und § 3, die der Abmilderung von Folgen der Corona-Krise dienen und auf die wir in der Mai-Ausgabe unseres Mitgliedermaganzins " Haus & Grund Saarland" eingehen. Das Gesetz in seiner verkündeten Fassung drucken wir dort auf Seite 122 ab.
Leider hat es der Gesetzgeber sich nicht nehmen lassen, die ursprünglich geplante Regelung in § 2 dieses Artikels in abgeschwächter Form aufrecht zu erhalten.. Dort heißt es nun wörtlich:
(1) Der Vermieter kann ein Mietverhältnis über Grundstücke oder über Räume nicht allein aus dem Grund kündigen, dass der Mieter im Zeitraum vom 1. April 2020 bis 30. Juni 2020 trotz Fälligkeit die Miete nicht leistet, sofern die Nichtleistung auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht. Der Zusammenhang zwischen COVID-19-Pandemie und Nichtleistung ist glaubhaft zu machen. Sonstige Kündigungsrechte bleiben unberührt.
(2) Von Absatz 1 kann nicht zum Nachteil des Mieters abgewichen werden.
(3) Die Absätze 1 und 2 sind auf Pachtverhältnisse entsprechend anzuwenden.
(4) Die Absätze 1 bis 3 sind nur bis zum 30. Juni 2022 anzuwenden.
Diese wenigen Zeilen sind im Vergleich zu dem vorher beabsichtigten Sprengstoff glücklicherweise nur noch ein zahnloser Tiger mit Spuren von gesetzgeberischem Aktionismus. Geregelt wird, was für einen vernünftigen Vermieter selbstverständlich ist. Wenn ein Mieter aufgrund von Corona, also der COVID-19-Pandemie, vorübergehend nicht in der Lage ist, die Miete zu zahlen, soll er keine Kündigung des Mietverhältnisses aus diesem Grund, also wegen der unterlassenen Mietzinszahlung zu befürchten haben.
Das Gesetz beinhaltet keine Stundung. Der Mieter bleibt zur Zahlung verpflichtet. Die Formulierungen sind so deutlich, dass sogar der Mieterbund zum Schutze seiner Mitglieder auf diese Umstände hinwies, denn bei flüchtiger Lektüre haben die Formulierungen das Potential, missverstanden zu werden.
Der mitverantwortliche rechtspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Dr. Luczak formulierte anlässlich der Plenarsitzung vom 25. März 2020 im Bundestag treffende Worte. In diesen kommt der gesetzgeberische Wille zum Ausdruck. Deshalb werden sie nachfolgend zitiert, damit Sie als Mitglieder und wir als Ihre Berater von Haus & Grund uns auf diese Motive berufen können, wenn sie jemand in Zweifel zieht:
„Wahr ist aber auch: Wir muten den Vermietern damit einiges zu. Man muss schon sagen: Auch die haben natürlich Sorgen. Viele – gerade die privaten Kleinvermieter – sind darauf angewiesen, Mietzahlungen zu erhalten, weil sie etwa ihre Altersvorsorge darauf aufgebaut haben. Deswegen haben wir als Union nicht nur sehr darauf geachtet, dass wir das Gesetz an dieser Stelle befristen, sondern wir haben auch gesagt:
Es ist dringend notwendig, dass die Mieterinnen und Mieter nachweisen und glaubhaft machen müssen, dass sie wirklich aufgrund von Corona in diese wirtschaftliche Notlage gekommen sind und deswegen ihre Mietzahlungen nicht leisten können.
Mir sind zwei weitere Punkte wichtig, die ich nur ganz kurz adressieren möchte.
Erster Punkt:
⦁ Der Zahlungsanspruch bleibt selbstverständlich bestehen.
⦁ Die Mieter müssen ihre Miete nachzahlen und gegebenenfalls auch Verzugszinsen zahlen.
Es ist, glaube ich, daher wichtig, den Mietern zu sagen:
⦁ Nur diejenigen, die wirklich in wirtschaftlicher Not sind, sollten davon Gebrauch machen, und es sollte auch an die Vermieter gedacht werden.
Bei meinem letzten Punkt geht es um den Grundsatz der Subsidiarität.
⦁ Nehmt staatliche Hilfen in Anspruch: Wohngeld, ALG II, die staatlichen Hilfsprogramme!
Wir wollen keinen Dominoeffekt auslösen, sondern wir wollen die Wirtschaft am Laufen halten.
⦁ Insofern sollten die staatlichen Hilfsprogramme bitte in Anspruch genommen werden, sodass die Mieten auch weiter gezahlt werden können.“
Wenn schon gegen den Protest von Haus & Grund die Beschränkung des Kündigungsrechtes in das Gesetz aufgenommen wurde, war diesen Worten aus Sicht von Haus & Grund wenig hinzuzufügen.
Kaum war das Gesetz aber raus, schon verkündete Adidas, keine Mietzahlungen mehr erbringen zu wollen. Behauptungen, das sei wegen dieses Gesetzes möglich, trat letztlich sogar die Bundesjustizministerin erzürnt entgegen. Adidas ruderte bekanntlich zurück.
In den nächsten Tagen gewann unsere Beobachtung von Presse, Funk und Fernsehen sowie deren Information durch Haus & Grund ganz erheblich Bedeutung.
Ich freue mich und bin stolz darauf, dass es Haus & Grund im Saarland – wie auch bundesweit – gelungen ist, den Gehalt des Gesetzes zutreffend zu kommunizieren, sodass die befürchteten Missverständnisse überwiegend ausgeblieben sind.
Adidas und ein paar Nachahmer, die auf diese Weise Kasse machen wollten, haben aber genau das demonstriert, was wir befürchtet haben: Zahlungsunwillige Mieter, sowohl im Gewerbe- als auch im Wohnraummietrecht, könnten Zahlungsunfähigkeit vorschieben, um lästig gewordene Mieten nicht mehr zahlen zu müssen.
Diesen sei in aller Deutlichkeit gesagt, dass das neue Gesetz solchen Trittbrettfahrern keinerlei Vorschub leistet. Die fristlose Kündigung eines Mietverhältnisses wegen unterlassener Mietzinszahlungen auch für die Monate April, Mai oder Juni 2020 bleibt auch in diesen Monaten zulässig.
Der Mieter muss glaubhaft machen, dass unterlassene Mietzinszahlungen auf Auswirkungen der Corona-Krise zurückgehen. Nur dann greift der Kündigungsausschluss. Sicherlich werden wir in nächster Zeit vor Gericht darüber streiten müssen, wie diese Glaubhaftmachung erfolgen soll. Ist der Mieter verpflichtet, vorher seine Reserven aufzubrauchen oder zumindest bis auf einen vertretbaren Selbstbehalt zu reduzieren?
Der Mieter, der sich darüber keine Gedanken macht und den Vermieter nicht aufklärt, fährt ein erhebliches Risiko. Ihm droht eine berechtigte fristlose Kündigung.
Glücklicherweise sind auch durch das beherzte Eingreifen von Haus & Grund die schlimmsten Konsequenzen offenbar vermieden worden.
Ein Mieter der nicht zahlen kann, also zahlungsunfähig ist, ist schon immer gehalten, dies dem Vermieter frühzeitig mitzuteilen, damit gemeinsam eine Lösung gefunden werden kann. Dazu braucht es keine Corona-Krise. Daran hat sich nichts geändert.
Mieter, die derart auf ihren Vermieter zugehen, finden mit diesen Lösungen.Gerade die privaten Kleinvermieter haben sich in den vergangenen Wochen engagiert gezeigt und das getan, was wir von ihnen erwarten und weshalb wir gerne ihre Interessenvertreter sind:
Den Mietern wurde nicht mit Kündigungen gedroht, sondern aufgezeigt, woher sie Gelder zur Zahlung der Miete bekommen können. Schon vor der Corona-Krise war längst nicht allen Mietern bekannt, dass unter dem Stichwort „Wohngeld“ auch Menschen Zuschüsse erhalten können, die nicht in Arbeitslosigkeit oder von Hartz IV leben. Lesen Sie hierzu bitte den Artikel auf Seite 120 in der Mai-Ausgabe unseres Magazins "Haus & Grund Saarland", der sich ausführlich auch mit den Möglichkeiten von Wohngeld auch für Eigennutzer befasst.
Im Rahmen meiner anwaltlichen Tätigkeit ebenso wie im Rahmen meiner Tätigkeit für Haus & Grund wurde nicht eine einzige Frage eines vermietenden Haus & Grund-Mitgliedes an mich herangetragen, ob und wie man nun einem Mieter wegen Zahlungsverzuges kündigen könne. Die Fragen, die auch von anderen Beratern in den saarländischen Haus & Grund-Vereinen berichtet wurden, erstreckten sich vielmehr auf Unterstützung im Zusammenhang mit Stundungsvereinbarungen oder den soeben zitierten Möglichkeiten, dem Mieter zu Wohngeld zu verhelfen.
Es treibt einem die Tränen in die Augen, wenn trotz derart demonstrierten Verantwortungsbewusstseins und gesellschaftlicher Solidarität der privaten Vermieter vereinzelte wenige Politiker versuchen, den Vermieter als böse, habgierig und kündigungswillig in eine Ecke zu stellen, in die er schlichtweg nicht gehört.
Die privaten Kleinvermieter sind diejenigen, die für bezahlbaren Wohnraum sorgen und sich um ihre Mieter kümmern. Gerade diese hat der Staat bei der Schaffung seiner Förderungstöpfe zunächst vergessen.
Offenbar ist nicht bekannt oder wird ausgeblendet, dass viele Handwerker und Dienstleister ihre Altersversorgung auf Einnahmen aus vermieteten Immobilien aufbauen. Fehlen diesen Personen – bedingt durch Corona – nun die Einnahmen aus beruflicher Tätigkeit, sind sie mehr denn je auf die Mieteinnahmen angewiesen. Wenn diese nun ausbleiben, verlagern wir das Problem vom Mieter auf den Vermieter. Gelöst wird es damit nicht. Schlimmstenfalls befindet sich nach Insolvenz des Vermieters irgendwann die Mietwohnung in Händen eines Immobilienfonds, der zunächst einmal kräftig die Mieten erhöht.
Das wollen wir gemeinsam mit Ihnen verhindern. Deshalb muss es die von Haus & Grund seit Anbeginn geforderten Lösungen geben, wie sie bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe nun offenbar auch umgesetzt werden sollen: Zügige Auszahlung von Wohngeld und Förderung der Gewerbetreibenden und Selbständigen.
Diejenigen Mieter, die ihre Gewerbe schließen mussten und dadurch keinerlei Einkommen mehr haben, haben nach unserem Kenntnisstand zu großen Teilen mit ihren Vermietern sinnvolle Lösungen erlangt, beginnend mit beispielsweise der Stundung eines Teils der Miete.
Um die Krise zu überwinden, brauchen wir staatliche Hilfen durch Förderung betroffener Vermieter, keine Störfeuer durch verfehlte gesetzgeberische Eingriffe.
Norbert Behle
Vorsitzender von Haus & Grund Saarland