Die steuerliche Bewertung des Mehrfamilienhauses
Wer ein Mehrfamilienhaus erbt, muss Erbschaftsteuer zahlen. Doch wie funktioniert die steuerliche Bewertung der Immobilie? Erfahren Sie in einem Rechenbeispiel, wie Sie den Steuerwert errechnen können.
Ausgangspunkt jeder Besteuerung ist die Ermittlung eines steuerlichen Werts für die Immobilie. Drei Wertermittlungsmethoden kommen für Immobilien in Betracht: Das Vergleichswertverfahren, das Sachwertverfahren und das Ertragswertverfahren. Die Rechenschritte für diese Verfahren sind im Bewertungsgesetz festgelegt. Das Gesetz legt auch fest, für welche Grundstücksart welche Bewertungsmethode vorrangig zur Anwendung kommt. Für die Feststellung des steuerlichen Werts von Mehrfamilienhäusern wendet das Finanzamt üblicherweise das Ertragswertverfahren an.
So rechnet das Finanzamt den Wert eines Mehrfamilienhauses aus
Das Finanzamt betrachtet Grundstück und Haus getrennt. Zunächst wird der Wert des Grundstücks ermittelt, ohne die Bebauung zu berücksichtigen. Hierfür wird der Bodenrichtwert verwendet. Dieser kann über die Gemeinde für konkrete Grundstücke erfragt oder im Internet unter
https://redaktion-akoga.niedersachsen.de/startseite/service/online_dienste/bodenrichtwerte/bodenrichtwerte-online-72280.html
Kurzlink: https://t1p.de/280
recherchiert werden.
Mit der Grundstücksfläche multipliziert erhält man dann den Wert des Grund und Bodens. Bei einem Grundstück mit einem Bodenrichtwert von 500 Euro/Quadratmeter und einer Größe von 1.000 Quadratmetern würde das so aussehen:
Bodenwert
500 Euro/qm x 1.000 qm = 500.000 Euro
Mehrere Rechenschritte für den Steuerwert des Gebäudes
Hinzu kommt nun der Gebäudeertragswert. Er wird in mehreren Schritten berechnet. Ausgangspunkt ist die Jahresmiete ohne Betriebskosten (Rohertrag). Hiervon werden Bewirtschaftungskosten mit einem pauschalen Prozentsatz zwischen 21 und 29 Prozent nach einer Tabelle (Anlage 23 zum Bewertungsgesetz) abgezogen. Die Höhe der abziehbaren Bewirtschaftungskosten hängt von der Restnutzungsdauer ab. Beträgt die Restnutzungsdauer für ein vermietetes Mehrfamilienhaus zwischen 40 und 59 Jahren, können pauschal 23 Prozent des Rohertrags abgezogen werden.
Beispiel:
Jahresmiete für zehn Wohnungen à 500 Euro Nettokaltmiete = 60.000 Euro
Abzüglich Bewirtschaftungskosten 23 Prozent von 60.000 = 13.800 Euro
Grundstücksreinertrag = 46.200 Euro
Hiervon muss nun noch ein Verzinsungsbetrag für den Boden in Abzug gebracht werden. Grund dafür ist, dass der Grundstücksreinertrag nicht nur den reinen Ertrag des Gebäudes, sondern auch eine zu erwartende Wertsteigerung des unbebauten Grundstücks beinhaltet. Damit dieses Element nicht zweimal in die Berechnung einfließt, muss es einmal in Form der Bodenwertverzinsung wieder abgezogen werden. Hierfür wird der sogenannte Liegenschaftszins genutzt, den die örtlichen Gutachterausschüsse ermitteln. Wo dies nicht der Fall ist, gilt derzeit laut Bewertungsgesetz der Liegenschaftszinssatz von fünf Prozent. Dieser Liegenschaftszinssatz bezieht sich auf den Bodenwert, der in unserem Beispiel bereits mit 500.000 Euro festgestellt wurde (Bodenrichtwert x Grundstücksfläche). Daraus ergibt sich folgendes Ergebnis für den steuerlichen Wert des Gebäudes:
Grundstücksreinertrag 46.200 Euro
abzüglich Verzinsungsbetrag des Bodenwerts (fünf Prozent von 500.000 Euro) – 25.000 Euro
Gebäudereinertrag (mindestens 0) = 21.200 Euro
Vom Gebäudereinertrag zum Gebäudeertragswert
Letzter Rechenschritt für die steuerliche Bewertung des Gebäudes ist die Anwendung eines sogenannten Vervielfältigers. Der Vervielfältiger bei einer Restnutzungsdauer von 45 Jahren und einem Liegenschaftszins von fünf Prozent ergibt sich aus einer gesetzlich festgelegten Rechenformel und beträgt 18. Um den endgültigen steuerlichen Wert des Gebäudes zu ermitteln, muss der Vervielfältiger mit dem Gebäudereinertrag, der nicht negativ sein darf, multipliziert werden.
21.200 Euro x 18 = Gebäudeertragswert 381.600 Euro
Grund und Boden sowie Gebäudeertragswert werden zusammengerechnet. In unserem Beispiel errechnet sich somit der steuerliche Wert des Mehrfamilienhauses aus Bodenwert 500.000 Euro + Gebäudeertragswert 381.600 Euro = 881.600 Euro.
Eventuell werden noch weitere wertmindernde individuelle Umstände des Gebäudes berücksichtigt. Für alle vermieteten Wohnimmobilien sieht das Erbschaftsteuergesetz zudem noch einen zehnprozentigen Bewertungsabschlag auf den Wert vor.
Damit unterliegen im Ergebnis 881.600 Euro – 88.160 Euro = 793.440 Euro der Erbschaftsteuer.
Sibylle Barent
Leiterin Steuer- und Finanzpolitik
Oktober 2021