Gibt es in Deutschland eine Mietenexplosion?
Sicherheit, Nahrungsmittel und nicht zuletzt das Dach über dem Kopf – bei diesen Themen erhitzen sich die Gemüter zu Recht schnell, immerhin geht es hier um existenzielle Bedürfnisse. Doch jenseits von gefühlten Bedrohungen geben Zahlen darüber Aufschluss, ob diese Aufregung gerechtfertigt ist, wie sich am Beispiel der Wohnraumsituation in Deutschland schön belegen lässt.
Um zu prüfen, ob auf dem Wohnungsmarkt eine häufig zitierte „Mietenexplosion“ stattgefunden hat, bietet es sich an, die Entwicklung der Wohnkosten mit der generellen Einkommensentwicklung in Deutschland zu vergleichen. In Abgrenzung zur Nettokaltmiete zählen zu den Wohnkosten außerdem Strom, Wasser, Gas und andere Brennstoffe. Als Vergleichswert lässt sich weiterhin die sogenannte Wohnkostenbelastung heranziehen.
Verfügbares Einkommen gestiegen
Die Entwicklung der letzten Jahre zeigt, dass seit 2009 die verfügbaren Einkommen im Vergleich zu Nettokaltmieten und Wohnkosten deutlich gestiegen sind. Letztere bewegten sich im gleichen Rahmen wie der allgemeine Verbraucherpreisindex, welcher die durchschnittliche prozentuale Preisveränderung sämtlicher Waren und Dienstleistungen des privaten Bedarfs in Deutschland angibt. Eine Mietkostenexplosion sieht anders aus.
Im Gegenteil zeigt sich heute eine deutliche Entspannung der Situation, wenn wir den Zeitraum von 1999 bis 2009 zum Vergleich heranziehen. Hier stiegen die Wohnkosten noch stärker als die verfügbaren Einkommen. Auch das qualifiziert sich jedoch nur auf den ersten Blick als Mietkostenexplosion – die Nettokaltmiete entwickelte sich im Vergleich zum Verbraucherpreisindex unterdurchschnittlich, Preistreiber der Wohnkosten waren weitere Faktoren wie Wasser, Strom und Gas.
Es lässt sich also feststellen, dass sich die eigentlichen Mieten, sprich Nettokaltmieten, bestenfalls gemäß der durchschnittlichen Preisentwicklung verändert haben, teils sogar dahinter zurückgeblieben sind.
Wohnkostenbelastung rückläufig
Ein noch aussagekräftigeres Bild lässt sich anhand der Entwicklung der Wohnkostenbelastung veranschaulichen. Hier werden insbesondere die Unterschiede zwischen größeren und kleineren Städten, Vororten und ländlichen Gebieten beleuchtet. Die Höhepunkte lagen hier in den Jahren 2011 bis 2012, seitdem ist selbst in Städten ein Rückgang zu verzeichnen. Während die Wohnkostenbelastung sich hier mit ungefähr 24 Prozent relativ konstant hält, sinken die Werte insbesondere im ländlichen Bereich und lagen 2018 gerade mal knapp über 17 Prozent, also deutlich unter dem häufig verwendeten „Richtwert“ von nicht mehr als 30 Prozent. Selbst am absoluten Höhepunkt der Entwicklung im städtischen Bereich im Jahr 2012 liegt die Wohnkostenbelastung mit 25 Prozent noch ein gutes Stück darunter.
Zusammengefasst: Seit 1999 sind die Nettokaltmieten bestenfalls im gleichen Maße gestiegen wie die allgemeinen Lebenshaltungskosten, streckenweise sogar geringer. Weiterhin ist auch die Wohnkostenbelastung seit 2012 insgesamt rückläufig und lag selbst zum Höhepunkt noch unterhalb von 30 Prozent.
Jakob Grimm
Wissenschaftlicher Mitarbeiter